Mein erster Marathon – der Einstein-Marathon in Ulm
1179 km um genau zu sein. Mit jedem einzelnen Kilometer sammelte ich Erkenntnisse und Erfahrungen.
Doch welche Erfahrungen habe ich auf dem Weg bis zum Ziel gemacht?
Womit hatte ich zu kämpfen und wie bin ich damit umgegangen?
Und was habe ich daraus für das Leben gelernt?
Der Beginn
Den Wunsch einmal einen Marathon zu laufen gibt es eigentlich schon sehr lange. In meiner Jugend habe ich Handball gespielt und mich immer gefragt, wieviel wir im Training oder im Punktspiel insgesamt laufen. Da habe ich mir vorgestellt, wie es ist, einen Marathon zu laufen. Damals habe ich allerdings nicht geglaubt, dass ich es tatsächlich schaffen könnte und auch nicht, dass ich es je machen würde. So habe ich den Wunsch nicht weiter verfolgt. Ich habe ihn sogar vergessen. Doch solche Wünsche schlummern ja in uns weiter und melden sich dann bei Gelegenheit wieder. Und diese Gelegenheit hat sich dann auch bei mir ergeben.
2013 wurde in meiner Firma die Teilnahme an einem Stadtlauf mit Halbmarathon ausgeschrieben. Es hat mich sofort angesprochen. Und da war der Wunsch wieder im Bewusstsein. Allerdings war ich zu diesem Termin auf einem Seminar und nicht in der Stadt. Das machte mich etwas traurig. Auch 2014 gab es wieder eine Terminüberschneidung, so dass ich nicht teilnehmen konnte.
Doch 2015 war es dann endlich soweit. Ich habe aus meinem Wunsch das konkrete Ziel gemacht: das Finishen des Halbmarathons in weniger als 2 Stunden.Hinzu kam, dass ich Kontakt zu einem Lauf-Trainer hatte, was mir Auftrieb zur Erreichung des Ziels gegeben hatte. Meinem Trainingsstand zufolge war ein Laufen über die Ziel-Linie in 2 Stunden und 15 Minuten möglich. So bin ich dieses Jahr im März mit 2 professionellen Trainings durch den Lauf-Trainer gestartet. Als plötzlich der Trainer ausfiel, war ich kurz davor aufzugeben. Es hat mich viel Energie gekostet, weiter zu machen. Aber es war MEIN Ziel! Ich meldete mich im Verein an und lief und lief und lief. Das Laufen tat mir so gut, denn ich bekam dabei den Kopf frei und hatte jede Menge kreative Ideen für meine Seminare und Vorträge.
Es gab Momente in denen ich zweifelte. Aber der Lauf wurde in der Firma immer mehr zum Gesprächsthema, so dass ich nicht aufgeben konnte und wollte. In den letzten Trainings lief ich die 21 Kilometer sogar schon in weniger als 2 Stunden, so dass ich mein Ziel neu auf 1:45 Stunde setzen konnte. Dabei kamen die Gedanken auf, wie es weitergehen würde. Würde ich nach dem Lauf weiter mit der Hingabe und in der Intensität trainieren? Ich glaubte nicht daran und so beschloss ich, den nächsten Schritt zu machen und mir ein neues Ziel zu setzen: einen Marathon zu laufen – den Einstein-Marathon in Ulm. Meine Hände zitterten und Zweifel kamen auf, als ich die Online-Anmeldung abschickte.
Am Halbmarathon-Tag bin ich ausgestattet mit guten Tipps von meinen Vereinskollegen an den Start gegangen; bereit, mich auf diese neue Erfahrung einzulassen. Nach einer Zeit von 1h:47min:44sec bin ich dann über die Ziel-Linie gelaufen und war einfach nur glücklich.
Der Marathon
Mir war aber bewusst, dass es jetzt eigentlich erst richtig los ging. Ich freute mich sehr darauf, hatte jedoch auch eine Menge Respekt davor. Ich suchte mir einen geeigneten Trainingsplan und begann zu trainieren. Und dann kam der Rückschlag – eine Krankheit. Ich durfte mehrere Wochen nicht Laufen. Es blieb immer weniger Zeit für das Training, aber ich wollte nicht aufgeben. Nachdem ich schmerzfrei war, begann ich die Trainingskilometer zu gehen. Noch 4 Wochen bis zum Marathon und endlich kam das GO von meinem Arzt. Ich durfte wieder richtig trainieren.
So absolvierte ich ein paar 30 km Trainingsläufe und sammelte Erfahrungen mit einer längeren Distanz. Ich spürte ein Limit und ich bekam Zweifel und noch mehr Respekt. Allerdings war mein Wille so groß, dass ich mich immer wieder motivieren konnte. Ich ließ mir mein eigenes Shirt drucken. Ich wollte es schaffen.
In der nächsten Zeit bekam ich viele Tipps. Einige waren hilfreich, die habe ich dankend angenommen und zum größten Teil berücksichtigt. Es gab allerdings auch eine Menge negativer Kommentare:
„Beim ersten Marathon geht es nur darum, anzukommen.“Das Ankommen stand für mich allerdings nie in Frage. Und wenn ich die 42 Kilometer spaziere, aber ich werde Ankommen! Mein Ziel dagegen war es sogar in unter 4 Stunden ins Ziel zu kommen. „Ab Kilometer 35 kommt eine Mauer.“ oder auch „Nach 30 Kilometern kommt der Mann mit dem Hammer.“
Nach meinen Trainingsläufen konnte ich mir das gut vorstellen, aber ich wollte mich dadurch nicht stoppen lassen. Ich habe mir lieber vorgestellt, wie um meinen Bauch ein Gummiband bis ins Ziel gespannt ist und mich ins Ziel zieht.
Noch 2 Wochen blieben bis zum Marathon und ich fühlte mich mehr oder weniger gut vorbereitet. Dann hörte ich in einem Gespräch den folgenden Satz: „Nun geht es nur noch darum, gesund an den Start zu kommen.“ Ich korrigierte meinen Gesprächspartner mit „gesund ins Ziel“. Nein. Es war tatsächlich der Start gemeint. Jetzt krank zu werden, darüber hatte ich mir ja noch gar keine Gedanken gemacht. Das wollte ich auch ganz sicher nicht! Wenn es so kommen würde, dann sollte es so sein. Aber mich damit zu beschäftigen? Warum?
Zu dieser Zeit lernte ich einen erfahrenen Iron-Man kennen, der mich ab diesem Zeitpunkt bis zum Start begleitete. Am Marathon-Tag konnte ich somit energiegeladen an den Start gehen. Ich war nervös, weil ich nicht wusste, was auf mich zukommt. Aber ich hatte sehr großes Glück. Der erfahrene Triathlet hatte sich noch nachgemeldet und wollte mir auch während des Marathons zur Seite stehen bzw. laufen.
Der Startschuss fiel und die Masse an Läufern setzte sich in Bewegung. Einen Kilometer nach dem anderen konnte ich hinter mir lassen. Ab Kilometer 15 spürte ich Blasen an meinen Zehen. Sie schmerzten zwar doch das Adrenalin ließ sie mich vergessen und weiterlaufen. Als dann nach 20 Kilometern die Halbmarathon-Läufer in Richtung Ziel abbogen, wollte ich ihnen hinterherlaufen. Ich war noch fit und der Halbmarathon war einfacher zu laufen als damals der Erste. Aber die Vorstellung die gleiche Strecke noch einmal zu laufen, machte mir schon ein sehr mulmiges Gefühl.
Doch das Ziel vor Augen lief ich immer weiter. Nach 30 Kilometern ging es dann von der Straße durch den Wald. Ich spürte jede Unebenheit des Waldbodens an den Blasen und sie hatten gefühlt die Größe von Ballons. Bei Kilometer 35 merkte ich, dass ich langsamer wurde und nicht mehr so viel Energie hatte. Die angepeilte Zielzeit von 3:45 Stunden konnte ich so nicht mehr erreichen. Jedoch war das Ziel den Marathon unter 4 Stunden zu laufen so tief im Herzen verankert, dass ich alle Kräfte mobilisierte und gab, was ich nur konnte. Wie in Trance lief ich die nächsten Kilometer – teilweise an gehenden Mitstreitern vorbei. Ich war unglaublich dankbar, als dann der Waldboden wieder zu Straßenbelag wechselte. Jetzt standen auch wieder mehr Zuschauer an der Strecke und das gab noch einmal einen Energiekick. Ich hörte den Zuruf „nur noch 1,6 Kilometer“. Ab diesem Zeitpunkt war alles vergessen. Der Zieleinlauf war nun so präsent. Je näher das Ziel kam umso mehr Menschen standen an der Strecke und jubelten. Vergessen waren die 41 Kilometer. Als wenn ich eben erst losgelaufen war, hatte ich den Zieleinlauf nach 3:53 Stunden als 20. Läuferin genossen.
Es war ein unglaublicher und unbeschreiblicher Moment.
Meine Erkenntnisse
- Es ist gut Tipps zu bekommen.
Allerdings war es für mich wichtig, nur auf diejenigen zu hören, die mich meinem Ziel näher bringen. Dies kann auch ein sinnvoller Einwand sein. So konnte ich meine Vorbereitung entsprechend optimieren. Doch liegt hier der Fokus tatsächlich auf sinnvoll. - Ebenso habe ich gemerkt, dass es einfacher ist ein Ziel zu erreichen, wenn man begleitet wird.
Von einem bestehenden Erfahrungsschatz zu profitieren, kann einem das Lernen aus eigenen Fehlern ersparen. - Auch wenn man manchmal aufgeben möchte, hat man doch noch Energien, die man mobilisieren und somit das Ziel erreichen kann. Viele Hindernisse können überwindbar sein, wenn man das Ziel im Auge behält und nicht aufgibt.
- Es macht glücklich, sich selbst zu spüren. Für mich ist es dabei wichtig, ganz konkrete Ziele zu setzen.
Ohne ein klares Ziel würde mein innerer Schweinehund sein Entspannungsprogramm aktivieren und mich nicht einmal in die Nähe einer Grenze lassen. So könnte ich nie erfahren, was in mir steckt. Im Ziel selbst ist das allerdings nicht mehr von Bedeutung. Hier zählen die Erfahrungen und das Wachstum auf dem Weg zum Ziel. Der Weg ist das Ziel!
Jede einzelne Erkenntnis kann man auch auf andere Bereiche des Lebens übertragen. Sie begleiten mich fortan durch mein Leben und erinnern mich daran, was ich erreichen kann.
Marathon – eine unvergessliche und so machtvolle Erfahrung.
Ich bin sehr dankbar, diesen Weg bis zum Ende gegangen zu sein. Bei allen, die mich hierbei unterstützt haben, möchte ich mich von ganzem Herzen bedanken.
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