Einstein-Marathon in Ulm am 23.09.2018
Anfang des Jahres hatte ich mir vorgenommen in diesem Jahr noch einmal am Einstein-Marathon in Ulm teilzunehmen.
Da mein Trainingsstand allerdings unterirdisch war, zögerte ich noch mit der Anmeldung. Ende Januar hatte ich dann zu meiner Lauftrainer-Ausbildung noch die Seminare Leistungsdiagnostik, Trainingsplanung und Athletiktraining besucht. Danach hatte ich ein sehr gutes Gefühl und schien für den Marathon perfekt die Grundlagen geschaffen zu haben.
Also schrieb ich mir meinen eigenen Trainingsplan und fing total motiviert an zu trainieren. Ich wusste, dass ich es 2015 schon einmal geschafft hatte. Jetzt wo ich mehr Erfahrung und Wissen hatte, müsste es doch wie am Schnürchen laufen. Doch weit gefehlt. Das Training war echt mühsam.
Viele Trainingseinheiten habe ich mit dem Kinderwagen absolviert. Es ist total schön wenn die Kleine voller Begeisterung dabei ist, singt und vergnügt quietscht. Aber es ist auch um Einiges anstrengender den Kinderwagen die Berge hochzuschieben oder ihn über die Absenkungen der Bürgersteige zu rollen. Und zu meinem Frust konnte ich nur den Hauch einer Verbesserung meiner Fitness spüren. Es blieb jedoch bis zum Marathon noch genügend Zeit für die Vorbereitung und ich war sicher, dass ich auf einem guten Weg war und es schon noch werden würde. Ich hatte eine relativ lange Laufpause durch die Schwangerschaft und noch 10 kg mehr auf der Hüfte als damals. Da war es für mich nicht sehr verwunderlich, dass es nicht ganz so schnell voran ging.
Doch es folgte ein Training nach dem anderen, Intervall-Training, lange Läufe, schnelle Läufe und jede Menge lockere Kilometer. Doch ich konnte noch immer keine wesentliche Verbesserung feststellen. Ich wusste nicht so richtig, warum es stagnierte. Ich wollte jedoch noch immer bei dem Marathon starten und so trainierte ich weiter und meldete mich an.
Mit jedem Training ohne sichtbaren Erfolg sank meine Motivation dann allerdings immer mehr. Es kamen Phasen, in denen ich mich sehr aufraffen musste, um Laufen zu gehen. Manchmal gewann auch der Schweinehund ganz und ich blieb zu Hause. Irgendetwas kam dann immer dazwischen. Es gab einige Auf und Ab’s. Doch ich habe einen sehr starken Willen. Und ich wollte es noch immer. So gab es auch die Phasen der Zuversicht in der ich wieder trainierte und trainierte.
Es gab schon Verbesserungen der Fitness, denn es war mir möglich 30 Kilometer am Stück zu laufen ohne danach einen Muskelkater zu haben. Also war das viele Training nicht umsonst. Doch im Hinblick auf die Schnelligkeit tat sich gefühlt gar nichts.
Dann bekam ich einen Heiratsantrag von meinem Liebsten. Nun standen also auch noch ganz andere organisatorische Dinge auf meinem Tagesplan. Kleid kaufen, Einladungen basteln und schreiben, Hochzeit planen, Probe-Essengehen, Torten probieren, Make-Up, Haare… Die Liste war lang und die Wochen waren voller Vorfreude aber auch unglaublich anstrengend. So musste das ein oder andere Training ausfallen und vor lauter Tortenstücken und Essen gehen hatte ich vermutlich wieder etwas zugenommen. Somit wurde es nicht einfacher.
Der Marathon rückte also immer näher. Mein Trainingsstand war weit von einer Bestzeit entfernt. Dennoch traute ich es mir zu den Marathon zu laufen und so hatte ich eine Woche vorher die endgültige Entscheidung getroffen zu starten. Immerhin hatte ich 900 Kilometer für diesen Marathon trainiert und deshalb wollte ich nicht aufgeben. In dieses Ziel hatte ich schon so viel Zeit investiert. Enttäuschend genug, dass ich meine Bestzeit von 3 Stunden und 46 Minuten nicht verbessern würde. So wollte ich wenigstens starten.
Ich überlegte lange, woran es liegen könnte, dass ich meine Fitness nicht merklich verbessern konnte. Ein wesentlicher Punkt war, glaube ich, dass es in diesem Jahr zu viele Baustellen auf einmal gab. Meine kleine Tochter, die eigene Firma, die Hochzeit und die alltäglichen Kleinigkeiten haben meinen Fokus vom Ziel abgelenkt. Auch empfand ich es teilweise sehr stressig zwischen all den Aufgaben noch lange Läufe von 3 oder 4 Stunden einzuplanen.
Ich denke der Stress hat sich auch auf die Motivation ausgewirkt. Trotzdem freute ich mich sehr auf den Marathon, wollte starten und mein Bestes geben. Es ist immer wieder beeindruckend für mich mit tausenden (7000) anderen Läufern an den Start zu gehen. Auch wenn sich viele davon für kürzere Strecken angemeldet hatten und nur einige (vielleicht 700) Läufer das selbe Ziel hatten wie ich – nämlich Marathon. Jeder hat sein persönliches Ziel und wer weiß, welchen Weg der Einzelne dafür gegangen ist?
Nun war es Samstag – ein Tag vor dem Start. Auf einmal spürte ich Aufregung und auch Nervosität. War meine Entscheidung richtig, habe ich in der Vorbereitung für Morgen etwas Wesentliches vergessen? Aber auch jede Menge Vorfreude war dabei – ich würde wieder einen Marathon laufen. Ich stieß auf einen Bericht von Andreas Butz (Laufcampus) über Fehler am Tag vor dem Marathon, während des Marathons und auch nach dem Marathon. So machte ich mir einen entspannten Tag, packte die letzten Sachen zusammen, lud nochmals meine Uhr und das Handy auf und ging dann beizeiten schlafen.
Sonntag 23.09.18
5:30 Uhr:
Der Wecker klingelte und ich drückte genervt auf Snooze. Meine kleine Tochter weckte mich in dieser Nacht jede Stunde, weil sie irgendetwas Wichtiges hatte. Sie ließ mich zwar nicht daran teilhaben was wichtig war, aber sie weckte mich. Also verbrachte ich jeweils mehrere Minuten streichelnd an ihrem Bett. So war ich beim Klingeln des Weckers total gerädert. Nur noch 5 Minuten Schlaf. Und dann klingelte er wieder…
6:30 Uhr:
Ich konnte mich endlich aufraffen und aufstehen. Ich wollte schließlich bis zur Abfahrt um 7:30 Uhr einen knappen Liter trinken und frühstücken. (Ein Tipp den ich im Bericht am Samstag gesehen hatte und den ich unbedingt ausprobieren wollte) Ich zog meine Laufsachen an, trank nebenher und dann setzte ich mich gemütlich an den Frühstückstisch und aß meinen Toast.
7:30 Uhr:
Die Zeit zum Losfahren war gekommen. Ich schnappte mir meinen Mann und mein Kind und fuhr los. Die Straßen waren frei. Es nieselte vor sich hin und teilweise war die Straße sehr nass. Tolles Wetter um einen Marathon zu laufen dachte ich mir – jedenfalls besser als bei 30°C im Schatten. Eine dünne Regenjacke hatte ich ja dabei.
8:20 Uhr:
Der Parkplatz den ich ansteuerte war leider schon voll und so war die Straße bereits gesperrt. Ich wurde umgeleitet auf einen anderen Parkplatz. Es liefen schon jede Menge Menschen Richtung Donauhalle. Wir freuten uns über den Parkplatz und schlossen uns der Menge an.
8:30 Uhr:
Ich lief vor zur Messehalle um mich zwischen tausenden von Menschen auf die Suche nach meiner Startnummer zu machen. Ich irrte also suchend durch die Hallen und fand dann den kleinen Stand zum Abholen der Startnummern. Dann ging es weiter auf die Suche nach dem T-Shirt mit dem Aufdruck von dem Marathon, was ich mir bei der Anmeldung mit bestellt hatte.
8:50 Uhr:
Zufällig fand ich meinen Mann und mein Kind in dem Gedränge wieder. Das hatte ich in der Menge für völlig unwahrscheinlich gehalten, dafür hatte ich extra mein Handy dabei. Dann zog ich meine lange Hose und meine Jacke aus und befestigte die Startnummer an meinem Startband.
9:00 Uhr:
Ich hatte endlich eine Toilette gefunden, an der die Schlange recht schnell vorwärts ging, denn bis zum Start hatte ich nur noch 10 Minuten Zeit.
9:07 Uhr:
Zu den tausenden Läufern ordnete ich mich nun im Startbereich ein und war fast bereit zum Starten. Nur mein Mann fehlte für einen letzten Kuss und eine Umarmung. Ich konnte ihn nicht sehen.
9:10 Uhr:
Der Startschuss fiel und die ersten Läufer liefen los. Da ich im Starterfeld recht weit hinten stand ging es nur langsam gehend voran in Richtung Startbogen – immer noch Ausschau nach meinem Mann haltend in der Hoffnung ihn noch irgendwo zu erblicken. Doch in der Zuschauermenge konnte ich ihn absolut nicht mehr finden.
9:19 Uhr:
Ich stand kurz vor dem Startbogen. Gleich würde es losgehen. Da hörte ich aus der Zuschauermenge ein lautes „Fanny“. Ich sah meinen Mann dort stehen und freudig winken. Er wünschte mir einen guten Lauf. Danach war ich bereit – glücklich und bereit für den Marathon.
9:19:42 Uhr:
Ich lief über die Startmatte und meine Zeitmessung fing an. Ab jetzt zählte es. Ich lief langsam los. Denn ein weiterer Fehler, den viele Läufer machen, ist zu schnell los zu laufen. Ich bremste mich also etwas und lief in einem angenehmen Tempo, bei dem ich mich wohl fühlte.
10:17:31 Uhr:
Nach 57 Minuten und 49 Sekunden hatte ich 10 Kilometer hinter mir gelassen. Das war eine tolle Zeit, da ich den Marathon in ca. 4 Stunden finishen wollte. Doch ich merkte dass meine Beine dieses Ziel nicht teilten. Und so lief ich mit einer 6er Pace (6 Minuten pro Kilometer) weiter.
11:06:56 Uhr:
18 Kilometer konnte ich das Tempo durchhalten und hatte einen Schnitt von 5 Minuten und 57 Sekunden pro Kilometer. Doch ich tat mich bereits sehr schwer. Bei Kilometer 19 gab es die Möglichkeit mit den Halbmarathonis in Richtung Ziel abzubiegen und den Halbmarathon zu finishen. Meine Gedanken kreisten hin und her – „abbrechen“ oder zu Ende bringen. Ich war nicht sicher ob ich etwas mehr als die bereits gelaufene Strecke noch einmal laufen könnte. Halbmarathon-Finisher oder nur Marathon-Abbrecher? Da ich für den Marathon angetreten war wollte ich ihn nun auch zu Ende bringen und die Finisher-Jacke haben, die im Ziel auf mich wartete. Ebenso wollte ich meine Familie stolz machen, die an diversen Streckenpunkten stand und mich anfeuerte.
11:13 Uhr:
Die Abzweigung für den Halbmarathon erschien und ich lief fest entschlossen gerade aus weiter auf der Marathonstrecke. Es kamen mir die Tränen – zum Einen vor Freude über die Entscheidung aber zum Anderen auch aus Respekt was noch vor mir lag.
11:28 Uhr:
Nach 2 Stunden und 8 Minuten auf meiner Uhr habe ich die 21,1 Kilometer des Halbmarathons mit einer Pace von 6 Minuten und 6 Sekunden erreicht.Es fiel mir wirklich schwer weiter zu laufen und das Tempo ging enorm zurück. Ich fragte mich, ob meine Entscheidung richtig war und machte jeden Schritt nur noch so gut ich konnte.
Immer langsamer gingen die Kilometer dahin.
12:42 Uhr:
Nach über 30 Kilometern und 3h22min Laufen konnte ich nicht mehr und fing an zu gehen – nur ein Stück. Der Wind fegte über die Straße durch die Felder. Ich konnte mich trotzdem nach vielleicht 100 Metern wieder aufraffen und motivieren zum Weiterlaufen.
12:58 Uhr:
Als ich erneut ein paar Schritte ging kam ein älterer Läufer vorbei und meinte „Gehen ist auch keine Lösung. Langsam Schritt für Schritt laufen.“ Ich wusste, dass er Recht hatte. Doch meine Beine wollten an diesem Tag nicht mehr weiter laufen. Es motivierte mich aber so sehr, dass ich mit ihm weiter lief. Und so liefen wir eine ganze Strecke gemeinsam. Meine Beine fühlten sich wieder besser an und in mir stieg die Motivation den Marathon wenigstens unter 5 Stunden zu beenden. So lief ich nochmals 2 Kilometer etwas schneller.
13:20 Uhr:
Der Wind war so heftig, dass er die Straßenabsperrung umfegte. Die Absperrbänder peitschten nur so im Wind. Nach 36 Kilometern wurde ich nun sehr langsam. Es ging gefühlt gar nichts mehr. Da holte mich der ältere Läufer wieder ein. Er näherte sich an und sagte „Jetzt bin ich wieder da. Jetzt geht es wieder weiter.“ Ein paar hundert Meter sind wir erneut zusammen gelaufen. Doch ich konnte sein Tempo nicht mehr mithalten. Für mich ging es in diesem Marathon nur noch darum die Ziellinie zu überqueren egal in welcher Zeit.
Da wurde mir bewusst, dass die Zeit nicht wirklich von Bedeutung ist. Jeder Teilnehmer machte seinen persönlichen Lauf. Jeder hat sich auf seine Art und Weise vorbereitet und läuft für sich selbst, ist mit sich zufrieden oder unzufrieden. Doch Jeder macht seinen eigenen Lauf und Wettkampf. Jeder von ihnen hat die Strecke und die Bedingungen anders erlebt.
Die letzten 3-4 Kilometer waren so zäh wie Kaugummi und zogen sich ewig in die Länge. Das Ziel rückte trotzdem immer näher. Es tauchten immer mehr Menschen am Rand auf und feuerten mich an. „Fanny Du hast es bald geschafft.“ Oder Ordner sagten „Jetzt kommt die schönste Strecke.“ Und so ging es Schritt für Schritt in Richtung Ziel.
14:16:21 Uhr:
Während ich ins Ziel einlief und die Zeitmessmatte überquerte war der Marathon für mich mit einer Zeit von 4 Stunden 56 Minuten und 39 Sekunden beendet. Ich drückte Stop auf meiner Uhr und speicherte den Lauf ohne nach der Zeit zu schauen. Sie war in dem Moment so unwichtig. Glücksgefühle stiegen in mir auf. Ich war stolz, an mich geglaubt und den ganzen Marathon gefinisht zu haben. Ich bekam eine Medaille um den Hals gehängt und die Finisher-Jacke ausgehändigt. Diese hatte ich mir wirklich sehr hart erarbeitet bzw. erkämpft. Denn es war zeitweise ein Kampf. Dennoch war ich auch etwas enttäuscht über die Zielzeit. Ich glaubte, dass ich mehrere Minuten über 5 Stunden für den Marathon gebraucht hatte.
Abonniere den Fanntastisch-YouTube-KanalDoch da im Ziel meine Familie auf mich wartete, verflog das Gefühl auch schnell wieder. Ich war so glücklich sie zu sehen und in den Arm nehmen zu können. Denn obwohl sie mich immer wieder an der Strecke anfeuerten und mir damit sehr viel Kraft gaben, war ich dennoch mit meinem Lauf allein. Es waren meine Gedanken, meine Entscheidungen und mein Kampf. Nun war ich einfach nur glücklich wieder ganz bei meinen Liebsten zu sein.
Wir erzählten uns gegenseitig die Geschichten die wir in den letzten Stunden erlebt hatten.
Es war es spannend zu hören, was man alles als Zuschauer erleben kann.
Zu Hause angekommen schaute ich dann doch mal nach meiner Zielzeit. Ein Jubelschrei platzte aus mir heraus, als ich gesehen hatte, dass ich wenigstens unter 5 Stunden geblieben bin.
Jetzt genieße ich erst einmal die Regeneration und plane meinen nächsten Lauf.
Bei dem Blick nach meiner Zeit auf der Internetseite des Veranstalters habe ich auch gelesen, dass es bei diesem Lauf einen Todesfall gab. Ein Halbmarathon-Läufer war 50 Meter vor dem Ziel zusammengebrochen und dann auf dem Weg ins Krankenhaus gestorben.
Das war eine wirklich sehr traurige Nachricht und da bleibt nur der Familie viel Kraft zu wünschen. Die Ärzte haben die Ursache des Zusammenbruchs bis zum Schreiben dieses Berichts noch nicht bekannt gegeben.
Zusätzlich wurden wohl 2 weitere Läufer wegen Dehydrierung ins Krankenhaus gebracht und intensivmedizinisch behandelt. Kurz vor einer Trinkstation habe ich einen Läufer zu einem anderen sagen hören, er spare sich das Trinken weil es Zeit koste und er seine Zielzeit erreichen möchte. Es ist richtig, dass das Trinken Zeit kostet. Da kann man bei einem Marathon schon 10 oder 15 Minuten verlieren, wenn man stehen bleibt und trinkt. Es gibt allerdings auch die Möglichkeit nur etwas langsamer zu laufen und nicht stehen zu bleiben. Dann kommen für das Trinken auf der Marathondistanz vielleicht 2-3 Minunten zusammen, die man verliert. Keine Zeit sollte so wichtig sein, dass man seine Gesundheit oder sogar sein Leben auf das Spiel setzt.
Ein Marathon ist Höchstleistung für den Körper und manchmal weiß man vielleicht gar nicht, wie nah man an der Grenze des Möglichen ist. Auch ich habe bei diesem Marathon gekämpft und er fühlte sich wie der längste Marathon an, den ich je gelaufen bin. Doch verstehe ich nicht, wie fahrlässig manche Läufer mit ihrem Körper umgehen. Ich habe durch das Laufen mehr Bewusstsein für meinen Körper entwickelt.
Das wünsche ich mir für Jeden und daher bin ich Coach und Trainerin geworden. Ich bin dankbar für die Erfahrungen bei diesem Marathon und auch für meine Aufgabe, die mich sehr erfüllt. Ich danke Dir für das Lesen dieses Blogartikels und freue mich über Deinen Kommentar. Wie siehst Du das?
Liebe GrüßeFanny von Fanntastisch